Für Alexander von Humboldt war es das Schlüsselerlebnis: die Reise an den Niederrhein zusammen mit Georg Forster im Jahr 1790. Genauer: der Blick aufs Meer bei Ostende. Die Sehnsucht, endlich frei zu sein und das Meer zu befahren, setzte unbändige Energie in Humboldt frei. Es war Ausgangspunkt der Vorbereitungen auf die Weltreise.
Georg Forster hatte zu der Zeit die Weltumsegelung mit James Cook schon hinter sich. 15 Jahre war das her. Das fast 1000seitigen Buch „Eine Reise um die Welt“ berichtet über diese drei Jahre. Humboldt hatte es genauestens studiert und in sich aufgesogen.
„ … mein berühmter Lehrer und Freund Georg Forster“,
schrieb Humboldt in seinem Werk „Kosmos“, „hat mit seinen Büchern eine neue Art wissenschaftlicher Reisebeschreibung begründet.“ Forster ließ die Leser nicht nur an seinen Erlebnissen teilhaben. Er beschrieb und zeichnete auch Vegetation, Nahrungs- und Wohnverhältnisse in den besuchten Ländern aufs Genaueste. All das setzte er in Zusammenhang mit dem Verhalten, den Gebräuchen und den sozialen Gegebenheiten der Menschen. Die Berichte waren wissenschaftlich genau, anschaulich, spannend, geschliffen formuliert. Sie waren Forsters Beitrag zur Aufklärung und Vorbild für Humboldt. Darin „liegt der Keim zu vielem Großen, das die spätere Zeit zur Reife gebracht hat.“, heißt es im „Kosmos“.
Erstaunlich aktuell
sind die Ansichten Forsters über die Natur. „Ich habe gelernt die Natur über alles zu schätzen, seitdem ich sie in Taheiti kennen gelernt , und in Europa an so manchen Orten vergebens gesucht habe“ notierte er nach seiner Weltreise. Er wusste, wie fragil Biotope sind, wie schnell Reichtum und Fülle der Natur zerstört werden können, wie sehr die Menschen von der Natur abhängig sind. „O Natur, was ist erquickender und zugleich erlaubter, als deine Werke zu lieben und ihrer froh zu werden“ heißt es in den „Ansichten vom Niederrhein“, dem Werk, das die Reise mit Humboldt erlebbar macht.
Fremden Kulturen begegnete Forster mit Respekt und Einfühlungsvermögen, ohne Überheblichkeit und Eurozentrismus. Das unterschied ihn von anderen Welterkundern. Bei der Beschreibung der Ureinwohner zeichnete Forster ein differenziertes Bild.
Die Einteilung der Menschen in Rassen lehnte er konsequent ab.
Alle Menschen betrachtete er als gleichwertig. Oft verteidigte er die Einheimischen gegen Ausbeutung und Gewalt – meist mit wenig Erfolg und eigenen Nachteilen. Er sah die Veränderung der Normen und Werte bei den Einheimischen als Folge des Kontakts mit den Europäern. „Wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muss, so wär´ es für die Entdecker und die Entdeckten besser, dass die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre.“ heißt es in „Die Reise um die Welt“.
Zu Recht gilt Forster als einer der Begründer der Völkerkunde als Wissenschaft.
Eine ganzheitliche Sicht auf die Welt
wollte er seinen Lesern nahebringen. Die „Ansichten vom Niederrhein“ haben den Charakter einer Aufklärungsschrift. Seine Absicht: Das Politische sollte zu einer Angelegenheit des Volkes werden. Politik sollte nicht länger als Geheimsache in geheimen Zirkeln durch Geheimräte verhandelt werden. Volksvertreter sollten Einfluss auf öffentliche Angelegenheiten bekommen. Damals waren das revolutionäre Ansichten.
1793, ein Jahr vor seinem Tod, schrieb der fast 40 Jährige einen Aufsatz mit dem Titel: „Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit.“ Darin fordert er Fürsten und Priester auf, die „Hindernisse wegzuräumen, die der freien Entwicklung unserer Kräfte entgegenstehen“ und Menschenwürde als Wegweiser des Lebens gelten zu lassen.
In der vorigen Wochen war er zu hören – mit seinen eigenen Worten – aus den „Ansichten vom Niederrhein“ – wie er den Dom besucht und die Stadt Köln – und die Kölner – sieht. (SWR2 Musikstunde:Domstadt Köln – am 10.Oktober Sendung mit Forsters Sicht auf Köln; kann bis zum 17. Oktober gehört werden; das Manuskript dazu ist lange zum Download verfügbar.)