Vorgestellt wurde der Germanist und Publizist Manfred Geier von Frau Professorin Breuniger, der Geschäftsführerin des Humboldt-Studienzentrums der Universität Ulm. Als Biograph der Brüder Humboldts gehört er zu den hervorragenden Kennern in Deutschland.
Manfred Geiers Betrachtung setzt bei dem frühen Tod des Vaters an. Beide Humboldt Brüder fühlen sich im elterlichen Schloss Tegel vom verstorben Vater allein gelassen. Ihre Mutter wird als gemütsarm beschrieben, der es vor allem um die Ausbildung und Karriere ihrer Söhne ging.
Während Wilhelm von Humboldt sich ins Lernen und in Studien flüchtete, suchte Alexander von Humboldt im Drang nach außen sein Seelenheil in der Natur. So studierte er Biologie, Mineralogie, die Tiere, aber auch den Menschen.
Als weiteres Schlüsselereignis beschreibt Geier eine Reise Alexander von Humboldts mit dem Naturforscher Georg Forster im Frühjahr 1790, die sie über das Rheinland, in die Österreichischen Niederlande sowie nach Holland und weiter nach England und Paris führte. Humboldt soll im Anblick des Meeres eine Faszination erlebt haben, die sein Leben prägte. Das Meer steht im Gegensatz zur Enge seines Elternhauses für eine neue Offenheit und er wünscht sich über das Meer andere Welten kennen zulernen. Erst mit dem Tod seiner Mutter 1796 wird dies möglich, da er sich von ihren Erwartungen befreien kann und durch das Erbe über ein beträchtliches Vermögen verfügte.
Die Planungen seiner ersten Reise waren durch politische und kriegerische Verwicklungen von mehreren Rückschlägen gekennzeichnet. Erst 1799 war es ihm möglich seine Reise zu beginnen, sie sollte fünf Jahre dauern und ihn unter anderem auf den Vulkan Chimborazo führen. Die Reise nutzte er für zahlreiche Beobachtungen, Messungen und Beschreibungen. Hier kommt auch sein empirisches Wissenschaftsverständnis zum Ausdruck.
Zurück von dieser Reise entstehen 30 Bände, dessen Veröffentlichung ein Großteil seines verbliebenen Vermögens verschlingt. Durch zahlreiche Zeitungsartikel und Publikationen schon während seiner Reise wird er nicht nur in Europa weltberühmt.
1808 erscheint, so Geier, sein schönstes Buch „Ansichten der Natur“ – Ansichten stehen dabei in der Doppelbedeutung von Beobachtungen und den Ansichten, die daraus entstehen. Humboldt ist dabei auch für seine literarische Verarbeitung geschätzt. Das Buch widmet er allen Menschen, die in der Natur einen Freiraum sehen können. Die Natur sieht er als Befreiung, der Mensch wird in der Natur frei, so Geier.
Humboldt beschäftigt sich aber nicht nur mit der Mineralogie, Geographie und Botanik, sondern auch mit der menschlichen Lebenskraft. Er forscht zur Anatomie und Physiologie und macht vielfältige Selbstversuche, bei dem sein eigener Körper zum Forschungsgegenstand wird.
Nach seinen Reisen zog es ihn nicht zurück in die geschlossene und enge Welt seines preußischen Elternhaus, er entschied sich vielmehr in Paris zu leben und bleibt dort bis 1827.
Zurück in Berlin hält er Vorträge und klärt über seine Weltsicht auf, er sieht sich selbst in der Tradition der Ideale der französischen Revolution. In dieser Zeit knüpft er wieder enge Beziehungen zu seinem Bruder und Unterstützt seinen Bruder bei Sprachstudien.Wilhelm von Humboldt hingegen regt ihn an, ein zusammenfassendes Buch über seine Weltsicht zu erstellen. Über die letzten 15 Jahren seines Lebens arbeite Alexander von Humboldt am „Kosmos“, wo er seine gesamtes Wissen zusammenführen kann.
Warum aber sollte nun Humboldts Geburtstag gefeiert werden?
Bereits zu seinen Lebzeiten war Alexander von Humboldt weltberühmt, zu seinem 100 Geburtstag wurde dieser weltweit gefeiert. Danach geriet er aber als Wissenschaftler zunehmend in Vergessenheit. Er war wegbereitend für ein Ganzheitliches denken und sah globale Zusammenhänge, die bis vor wenigen Jahren anderen verborgen blieben. Neben seinem empirischen Wissenschaftsverständnis zeichneten seine Arbeiten eine eigene stilistische Sprache und Darstellung des Wissens aus.
Erst seit etwa 20 Jahren feieren seine Vorstellungen ein ein Revival, die sich in der Grünen Bewegung aber auch in der Erkenntnis der Zusammenhänge der Ökologie widerspiegelt. Eines seiner Axiome lautet: „alles ist Wechselwirkung“. Das Lebenswerk von Alexander von Humboldt verweist auf eine ganzheitliche und komplexe Natur, die nur durch eine Inter- und Transdisziplinarität in der Wissenschaft entschlüsselt werden kann. Manfred Geier schließt seinen Vortrag damit, dass dies heute noch eines seiner wichtigsten Vermächtnisse zu sein scheint.