Podiumsdiskussion Dr. h.c. Wolfgang Thierse,Bundestagspräsident a.D.,
Sherry Hormann, Regisseurin, Moderation: Prof. Dr. N. Palz
Nach Thierses Vortrag stand programmgemäß eine Podiumsdiskussion mit ihm und der Filmemacherin und Regisseurin Sherry Hormann an.
Thema war, wie unterschiedlich Kunst und Politik mit dem Begriff „Heimat“ umgehen. Sherry Hormann präsentierte sich als eloquente, schlagfertige und selbstbewusste Gesprächspartnerin.
Sie schilderte die heimatliche Verbundenheit von Menschen, die ihre angestammte Heimat verlassen am Beispiel ihrer Urgroßeltern, die in die USA ausgewandert seien und trotzdem ständig in Tracht und Dirndel aufgetreten seien, was Ausruck ihrer Identifikation mit der angestammtenen Kultur gewesen sei. Sie hätten für jüdisch Auswanderer Häuser gebaut, das Kennzeichen seien geschnitzte Edelweisblüten an den Fensterläden gewesen, die gäbe es teilweise heute noch.
Thierse erzählte von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen, z.B. Orte, topographische Erscheinungen etc., die bei ihm heimatliche Gefühle entstehen ließen. Oder von dem der Heimatlosigkeit in er DDR, wo andererseits der Raum der Kultur im Grunde im Osten eine Gegenöffentlichkeit gegen die Unterdrückungsmechanismen des totalitären Staatsapparates gewesen sei.
Nicht darf Gegenstand der Politik sein, so Thierse, was das individuelle Erleben ist, da wird es fatale Ideologie. Man war in der Kultur dann trotzdem zu Hause.
Hormann machte deutlich, dass sie mit Thierses Aussagen völlig einverstanden sei und darüber enttäuscht, dass er so kluge Feststellungen getroffen habe, dass ihr gar nichts zu sagen übrig bleibe.
Thierse und Hormann waren sich in den Grundzügen der Beurteilung von Heimat durchaus einig, wobei Thierse auf einer etwas allgemeineren Ebene diskutierte als Hormann und verwies darauf, dass irgendwann, und ganz vorsichtig Heimat schon Gegenstand von Politik sein dürfe im Sinne der Unterstützung des Gelingens der individuellen Beheimatung.
Hormann: dazu gehören Auch Erinnerungen , weil man sich damit auch an seiner Biographie festhalte.
Schwerpunkt des Gesprächs war auch der viel besprochene Film von Sherry Hormann: „Nur eine Frau“, in dem es um den sog. Ehrenmord an der Muslima Hatun Sürücü vor 14 Jahren in Berlin. Sie stellt sich hier die Frage, wie sich Heimat und Identität zueinander verhalten, wenn die Familie in rigiden patriarchalischen Familienstrukturen der „alten Heimat“ verhaftet bleibt und die Tochter, als Kind hier geboren, in unserer Gesellschaft gut integriert und angekommen und auch willens und fähig ist, ihren Lebensweg mit Sohn und Beruf in Deutschland zu gehen. Hormann thematisiert sehr sensibel Konflikte und Werte, um Tradition und Religion.
Thierse machte deutlich, dass es um die Herausforderungen geht, die sich für die Gesellschaft, insbesondere für Bildung Politik und kulturellen Austausch ergeben. Dabei verwies er auf die Aufgaben der Künste: Sie müsse Geschichte wiedergewinnen, Geschichte eines kulturellen Konflikts erzählen, Differenzen und Gemeinsamkeiten formulieren.
In der anschließenden Diskussion wollte eine Dame wissen, wie es dazu käme, dass Hormann immer dramatische Frauenschicksale zum Stoff ihrer Filme mache. Sie antwortete darauf, sie sei grundsätzlich daran interessiert, hinter die Fassaden zu schauen, weil es ihr um die Menschen dahinter gehe. Dann könne es durchaus passieren, dass sie über einen Flaschner erzählt, der in einem Haus die Rohrleitungen repariert und sich dabei in die Dame des Hauses verliebt.